Unser Timing könnte nicht besser sein, obwohl wir vorab keinen Fahrplan hatten. Genau zwei Minuten warten wir und schon fährt der stündlich verkehrende Bus zum Bahnhof vor. Leider ist vor einigen Wochen zwischen Garmisch und Oberau ein Zug vom Gleis gefallen, weshalb die Strecke jetzt gesperrt und ein Schienenersatzverkehr eingerichtet wurde. Am Bahnhof steht der SEV-Bus schon bereit und kann durchaus als "gut besetzt" bezeichnet werden. Aber für die paar Minuten bis Oberau kann man schon mal etwas zusammenrücken. In Oberau erwartet uns dann doch noch eine Kostprobe dessen, wieso gerne auf die Bahn geschimpft wird. So gut es bis hierher gelaufen ist, so skurril geht's weiter. Der überlange SEV-Bus spuckt etwas 100 Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz aus, die nun von Polizisten und Bahnsicherheitspersonal empfangen werden. "Die Bahnstrecke bis Murnau ist seit heute ebenfalls gesperrt, die Weiterfahrt bis Murnau erfolgt mit Taxis" erfahren wir. "Wieso kann der Bus nicht einfach bis Murnau weiterfahren?" frage ich. "Das fragen wir uns auch schon die ganze Zeit" antwortet eine sichtlich genervte bis verzweifelte Polizistin. Vermutlich hat die Bahn die Busse nur für die Strecke gebucht und zeitlich geplant und hat einfach nicht rechtzeitig die Streckenverlängerung gemanaged. Die beiden bereitstehenden Taxis sind sofort voll, ein weiterer SEV-Bus bringt nochmal einen Schwung Menschen aus Garmisch, darunter überwiegend Touristen, oft aus dem Ausland, viele Asiaten, die noch ratloser aussehen wie wir. "Welcome to Bavaria"! In Deutschland murksten 12 Jahre lang ununterbrochen die Traktorfahrer der CSU im Verkehrsministerium herum, jetzt ist ein Autolobbyist der FDP zuständig. Wer sich ein Beispiel dieser grottenschlechten, rückwärtsgewandten Verkehrspolitik ansehen möchte, fährt ins Werdenfelser Land: Sinnlose Geldverschwendung für aufwändige Straßenbauten und Tunnels, die nur noch mehr Autos anziehen werden und damit die Staus vielleicht ein wenig verlagern, in Summe aber vergrößern werden. Dafür gibts dann hoffnungslos veraltetete und stellenweise sogar lebensgefährliche Schienen und keinen funktionierenden ÖPNV mehr...
Nach 10 Minuten kommt ein einzelnes Taxi - es hat 6 Plätze. Die Meute stürmt drauf los, die Polizisten versuchen das Chaos zu minimieren und Schlägereien zu verhindern. Langsam sickert durch, dass die Taxis im üblichen Sonntag-Nachmittags-Stau feststecken und wahrscheinlich einfach viel zu wenig Taxis für viel zu viele Menschen zur Verfügung stehen. Die Situation würde wohl spätestens mit dem nächsten ankommenden SEV-Bus brenzlig werden. Zum Glück hat dann doch noch jemand mit Entscheidungsbefugnis einen Sinn für Pragmatismus. "Achtung, Achtung - eine Planänderung: Dieser Bus fährt jetzt doch weiter nach Murnau" ruft eine Bahnmitarbeiterin und zeigt auf unseren immer noch herumstehenden SEV-Bus. Alle stürmen wieder zum Bus, wir fahren weiter bis Murnau und erwischen sogar noch den Zug nach München. Na - sowas erlebst halt nicht wenn du im Auto im Stau stehst ;-).