Es gibt und gab allerdings Alpinisten, die sich wegen des Alpinismus bewusst gegen Kinder entschieden haben.
Ich habe auch Freunde, die ihre Bergaktivitäten und das Risiko, das sie dabei eingehen, reduziert haben, als sie Eltern wurden. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Interessant finde ich nur, dass manche Risiken sehr betont werden, andere dafür weniger.
Was meinst du damit?
Risiken am Berg werden oft thematisiert – viele andere, ebenso reale Risiken, aber nicht. Emelie, ich und das Baby leben in den norwegischen Bergen – da hat man zum Beispiel viel weniger Risiko, an einer Atemwegs-Erkrankung zu leiden als in einer großen Stadt mit schlechten Luftwerten. Wir leben sehr gesund, essen wenig Fleisch, bauen unser Gemüse zum Großteil selbst an.
Wenn du auf die letzten 10 Jahre zurückblickst: Wie hat sich das Trail- und Ultra-Running verändert? Und was war dein Anteil daran?
Vor zehn oder 15 Jahren war die Berglaufszene eine ziemlich verschworene Gemeinschaft. Es gab keinen oder kaum Medienrummel. Und dann kam dieses enorme Wachstum. Aber dieser Sport wäre sicher auch ohne mich so verrückt gewachsen. Wenn ich mir einen Einfluss wünschen würde, dann vielleicht den, dass das Berglaufen seine ursprünglichen Werte nicht aus den Augen verliert. Dass nicht nur die Performance und die Bestzeiten im Mittelpunkt stehen. Für mich ist das Berglaufen an erster Stelle ein Bergsport. Da sollte es genauso um das Erleben von Natur und Gemeinschaft gehen wie um das Sportliche.
Wie erklärst du dieses Wachstum?
Da gibt es mehrere Faktoren. Zum Beispiel die sozialen Medien. Anfang der 2000-er Jahre bestimmten noch die traditionellen Medien, welche Sportarten Aufmerksamkeit bekamen – und welche nicht. Zehn Jahre später hatte sich das schlagartig verändert. Die sozialen Netzwerke explodierten und alles, was auf den herkömmlichen Kanälen nicht vorkam, fand dort seinen Platz und sein Publikum. Auch das Berglaufen. Hinzu kommt natürlich, dass das Laufen insgesamt sehr beliebt wurde. Und dass viele Menschen, die in Städten leben, hinaus in die Natur wollen. Berg- und Trailrunning verbindet beides – auch deswegen ist es so groß geworden.
Heute bist du selber ein Social Media-Star. Auf Instagram hast du mehr als 840.000 Follower.
Für mich ist Social Media Teil meiner Arbeit. Ich muss es tun, für mich und meine Sponsoren, aber es macht natürlich auch Spaß. Weil es einen inspiriert und man viel Feedback bekommt. Aber man muss die Balance hinbekommen und für sich selbst definieren, wann man online ist – und wann nicht. Man muss es im Griff haben – sonst wird es zu einem Problem.
War es dennoch gut für den jungen Kilian Jornet, der so konzentriert wie ein Mönch trainierte, dass es damals weder Facebook noch Instagram gab?
Kann gut sein, dass mir das geholfen hat und dass es den Jüngeren heute schwerer fällt, sich in unserer Social-Media-Welt auf das zu konzentrieren, was zählt. Kann aber auch sein, dass das nicht der Fall ist, weil sie eben von Anfang an damit umgehen. Ich weiß nur, dass man sich für das Training und schöne Erlebnisse von vielem freimachen muss – auch von Social Media. Um ein guter Sportler zu werden, muss man sich auf genau drei Dinge konzentrieren: gut zu essen, gut zu trainieren und gut zu schlafen. Und am nächsten Tag geht alles wieder von vorne los. Alles andere bringt einen sportlich nicht weiter.
Was ist dennoch gut an den sozialen Medien für einen Profi-Sportler wie dich?
Es ist heute viel leichter, als Läufer oder Profi-Bergsteiger ein Auskommen zu finden. Früher konnten zum Beispiel viele Profi-Alpinisten nur über Vorträge oder Bücher Geld verdienen, um ihre nächste Expedition zu finanzieren. Heute wird man gesponsert, weil man auch Influencer ist. Früher machten Sportmarken Werbung im Fernsehen oder bei Rennen – heute suchen sie die Sichtbarkeit in den sozialen Netzwerken. Früher zählte nur die messbare Leistung – und man war schnell aussortiert, wenn die nicht mehr stimmte. Heute geht es den Sponsoren um viel mehr als nur um Leistung: es geht um Geschichten, um Trainingstipps, um die Entwicklung neuer Ausrüstung….
Wie siehst du die Entwicklung des Berglaufens in den nächsten 5 Jahren?
Der Sport wächst gerade nicht mehr so rasant wie in den Jahren zuvor. Und das ist gut. Manche Rennen haben mittlerweile zu viele Teilnehmer. Natürlich ist es schön, dass es Läufe mit Tausenden von Teilnehmern und einer großen Show gibt. Aber oft verkörpern die kleineren Veranstaltungen besser den Spirit, aus dem unser Sport heraus entstanden ist.