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Kurt Albert

Kurt Albert - frei denken, frei klettern, frei sein

frei denken, frei klettern, frei sein

Titel: Kurt Albert - frei denken, frei klettern, frei sein

Autor: Tom Dauer

Verlag:Tyrolia-Verlag

Seiten: 336

Preis: 29,95 €

Für wen: Kletterer, Abenteurer und Freidenker

Wo:  online bei Panico  oder:   online bei Buch7

Rezension

Es war einmal eine Zeit, in der war Klettern einfach nur eine Form des Bergsteigens. Es diente als Zweck, um Gipfel zu erreichen oder schwierige Wände zu durchsteigen. Das "Wie" hingegen, auf welche Art und Weise diese Ziele erreicht wurden, war nebensächlich. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es zwar unter Protagonisten wie Paul Preuß oder Hans Dülfer, noch heiße Debatten darüber, ob man Haken zur Fortbewegung beim Klettern benutzen darf oder nicht. Letztendlich hat sich aber die pragmatische Sichtweise durchgesetzt, dass "jedes Mittel" recht ist, um sein Ziel zu erreichen. Spätestens mit Aufkommen der Bohrhaken, die man an beliebiger Stelle setzen konnte, führte das aber in ein Motivationsdilemma für die Kletterer, weil ein Wanddurchstieg eigentlich nur noch eine Frage des Montageaufwandes war.

Um aus einer solchen Sackgasse wieder herauszukommen, benötigt es Freidenker: Menschen die über den Tellerrand eines festgefahrenen Weltbildes blicken, kreativ sind, ihr "eigenes Ding" machen und zudem genug Einfluss haben, um Mitstreiter und Nachahmer zu finden. Kurt Albert vereinte alle diese Eigenschaften und lebte zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um als "Vater des Rotpunktgedankens" in die Klettergeschichte einzugehen.

Die schwierigsten Klettereien im Frankenjura waren zur Zeit seiner Kletteranfänge mit vielen Schlaghaken gespickt, an denen sich die Kletterer seit Jahrzehnten mit Trittleitern hocharbeiteten. Eine andere Technik gab es dafür nicht - wieso auch? Kurt und einige andere junge Kletterer versuchten nun - inspiriert von den Kletterregeln des Elbsandsteingebirges - diese Linien nur an den natürlichen Griffen und Tritten, die der Fels bot, zu klettern. Routen, bei denen dies gelang, markierten sie ab 1975 am Einstieg mit einem roten Punkt - die Geburt des "Rotpunkt".

Soweit, so bekannt - zumindest all jenen, die seit Jahrzehnten im Klettersport zu Hause sind. Aber was steckt nun wirklich hinter dem Namen "Kurt Albert". Was war er für ein Mensch, wie dachte er? Warum wurde ausgerechnet er zu einer Ikone des Sportkletterns, obwohl er - bezogen auf die reinen Kletterschwierigkeiten die er meisterte - lange nicht der Stärkste seiner Zeit war, nicht einmal in seinem direkten Umfeld?

Diesen Fragen hat sich Tom Dauer gestellt. Er arbeitet die Antworten in diesem Buch Stück für Stück heraus. Den roten Faden bildet dabei - wie es sich für eine Biografie gehört - der Lebenslauf Kurt Alberts, immer im Bezug auf den Untertitel des Buches "frei denken, frei klettern, frei sein". Die Freiheit und Unabhängigkeit im Denken, in den persönlichen Beziehungen und bei der Finanzierung seines Lebensunterhaltes war eine Konstante in Kurts Lebens, genauso wie es das Freiklettern wurde.

Tom Dauer wurde bereits in seinen Jugendjahren von der damals noch recht neuen Sportkletterbewegung mit ihrem abgrenzenen Lebensstil aufgesogen und wurde ein Teil von ihr. Als ausgebildeter Journalist hat er die Entwicklung später immer wieder dokumentiert und begleitet, zum Beispiel mit seinen Büchern "Cerro Torre - Mythos Patagonien" und "Reinhard Karl - ein Leben ohne Wenn und Aber", seinen zahlreichen Beiträgen in verschiedenen Alpinzeitschriften oder auch mit seinen Filmprojekten. Kurt Albert und Tom kannten sich und haben in Patagonien wochenlang eine Holzhütte geteilt, eine Situation wo durchaus auch einmal gut versteckte Persönlichkeitsmerkmale zum Vorschein kommen. Die Qualifikation als Kurt-Albert-Biograf könnte also kaum besser sein.

Er hat die Chance wahrgenommen und ein herausragendes Buch über eine herausragende Persönlichkeit verfasst. So ganz "nebenbei" handelt es sich um eine konzentrierte Chronologie der aufkeimenden Sportkletterbewegung. Detailreich und mit einer Fülle an Anekdoten werden die wilden Jahre dieser neuen Sportart dokumentiert, bevor sie als Breitensport auch in "seriösen" Gesellschaftskreisen hoffähig wurde.

Von daher ist dieses Buch eine unbedingte Pflichtlektüre für alle Kletterer die - wie ich - in den 1980 und 1990er Jahren noch das Lebensgefühl des "Extremsports Klettern" (als der er damals in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde) atmen durften. Genauso empfehlenswert ist es aber für diejenigen, die irgendwann im neuen Jahrtausend zum Klettern gekommen sind und vielleicht hauptsächlich kommerzielle Kletterhallen, konsumfreundlich eingerichtete Klettergärten und durchgesicherte Plaisirrouten kennengelernt haben. Möglicherweise eröffnet die Beschäftigung mit den Wurzeln dieser Sportart ja dem ein oder anderen - ganz im Sinne Kurt Alberts - einen Blick über den Tellerrand hinaus auf eine neue, freie Perspektive.

Markus Stadler

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