Erneut an der Alm angekommen, gönne ich mir zuerst eine Cola. "Es wäre kürzer, direkt über Einsiedl nach Inzell abzusteigen" überlege ich. Allerdings ist fraglich, ob ich den Bus dort dann noch erwische und leider hab ich gerade kein Netz, um evtl. Alternativen abzuchecken. Von daher beschließe ich, dass es egal ist und mir schon irgendwas einfallen wird - aber zuerst bringe ich die Tour zu Ende. Immerhin eilt es jetzt nicht mehr und ich kann den relativ wilden und anspruchsvollen Steig von der Weittalhütte am Großen Turm vorbei hinab in die Zwing in Ruhe und mit der gebotenen Vorsicht absteigen. EIn kurzer Stopp am "Wasserloch" - der kristallklaren Quelle des Weißbachs - ist die perfekte Abkühlung nach diesem steilen Abstieg in der flirrenden Hitze über die sonnenbeschienene Westflanke. Ziemlich genau eine Stunde nach Abfahrt meines Busses stehe ich dann an der Bushaltestelle und studiere den Fahrplan. "Tatsächlich - das war der letzte Bus an diesem Tag". Gegenüber in Fahrtrichtung Bad Reichenhall das gleiche Ergebnis. In dem engen Tal hab ich immer noch kein Handy-Netz, um zu prüfen, ob vielleicht vom Busbahnhof in Inzell noch eine Linie nach Traunstein rausfährt. Also wandere ich in der spätnachmittäglichen Hitze noch eine halbe Stunde bis zur Ortsmitte, um dort festzustellen, dass ein gar nicht so kleiner Ort wie Inzell an einem Sonntag nach 17 Uhr vom öffentliche Nahverkehrsnetz abgekoppelt ist.
So stehe ich kurz darauf mit ausgestrecktem Daumen an der Hauptstraße und nach etwa 10 Minuten stoppen zwei junge Männer und nehmen mich mit nach Siegsdorf. Sie machen sogar noch einen kleinen Umweg zum Bahnhof und kaum steige ich dort aus dem Auto aus, fährt auch schon der Zug aus Ruhpolding ein. Dank Deutschlandticket fällt jetzt der Stress, noch schnell eine Fahrkarte kaufen zu müssen weg. Ich hüpfe in den klimatisierten Zug und die Wartezeit in Traunstein auf den (mal wieder wegen der dämlichen Grenzkontrollen in Freilassing) verspäteten Anschlusszug nach Rosenheim nutze ich, um meine verbliebenen Brotzeitreserven zu vertilgen. Als ich eine Dreiviertel Stunde später vom Rosenheimer Bahnhof nach Hause radle, legt sich die Sommerhitze bereits wieder und die Familie ist erst kurz davor von ihrem Badeausflug heimgekommen. So hatte jeder einen ausgefüllen Tag ganz nach seinem Geschmack.
Infos zur Tour
Anreise am besten mit Öffis: Das erleichtert die Logistik ungemein. Allerdings ist dann zügiges Gehtempo angesagt, vor allem am Wochenende, da in Inzell gegen 17 Uhr die letzten Busse fahren. Oder man plant die Tour Wochentags, dann hat man etwas mehr Zeit. Den Bahnhof Piding erreicht man mit Umstieg in Freilassing (Strecke München-Salzburg) mit der S-Bahn in Richtung Bad Reichenhall/Berchtesgaden. Am Endpunkt beim ehemaligen Gasthaus Zwing 2 km südlich von Inzell gibts eine Bushaltestelle der Strecke Traunstein-Bad Reichenhall.
Route:
Man startet in Piding und folgt der Ausschilderung zum Hochstaufen, vorbei am Schloß Staufeneck. Jetzt ist auch der Pidinger Klettersteig bereits ausgeschildert, den man nach 1,5 bis 2 Stunden vom Bahnhof erreicht. Der Klettersteig führt über 650 Höhenmeter auf den Gipfel des Hochstaufen und ist über längere Strecken im Schwierigkeitsgrad C - es gibt aber auch ein paar Stellen D. Ein Klettersteigset ist hier auch für erfahrene Alpinkletterer kein Luxus. Zwischendurch gibt es aber auch Gehgelände und längere leichte Abschnitte im Schwierigkeitsgrad A und B. Wenn man sich beeilt, nur in den schweren Passagen sichert und wenn kein Stau ist, sollte man 2-3 Stunden für den Steig rechnen, wer auch in den A und B Passagen komplett sichert, wird aber eher länger brauchen.
Vom Gipel folgt man dann der Beschilderung Richtung Zwiesel/Gamsknogel - erst auf breitem Wanderweg, dann auf schmalem alpinem Bergsteig, der gut markiert und an einigen Stellen auch mit Drahtseilen gesichert ist, zwischendurch aber auch leichtes Klettergelände im Schwierigkeitsgrad I nach UIAA aufweist, stellenweise auch etwas ausgesetzt. Der Gratübergang zum Gamsknogel hat insgesamt etwa 400 - 500 Höhenmeter Gegenanstiege. Man sollte auf alle Fälle 2,5 bis 3 Stunden dafür einkalkulieren. Der Abstieg zur Kohleralm hat dann noch ein paar kurze felsige Stellen mit Drahtseilen, bevor es in einen leichten Wanderweg übergeht.
Von der Kohleralm könnte man ohne Schwierigkeiten in etwa einer Stunde nach Norden (Inzell) oder Süden (Weißbach) absteigen. Ein spannendes Finale bietet der Abstieg vorbei am Großen Turm in die Zwing. Dazu zweigt man gleich nach der Kohleralm hinter dem Zaun auf den kleinen Bergweg rechts ab (grün-weisse Markierungen), folgt im hinauf zum Gruberhörndl und steigt jenseits ab zur Weittalhütte (kurz vor der Hütte den Abzweig nach links ignorieren). An der Hütte gabelt sich der Weg dann, der markierte Weg führt gerade dran vorbei und direkt hinter der Hütte zweigt rechts ein kleiner, nicht markierter Jägersteig ab. Auf diesem geht es nun kurz nach Norden zu einer Verzweigung, wo man links abbiegt. Zuerst steigt man steil im Zickzack durch den Wald ab, dann quert man in sehr steilem Gelände hoch über den Abbrüchen um ein Eck und an einem Drahtseil hinab zum Großen Turm. Von dort folgt man nun dem wieder deutlicheren Weg aber in immer noch steilem Gelände um den Turm westlich herum (einige pinke Markierungen). Zuletzt führt der Steig durch den Hochwald nach links hinab zum "Wasserloch". Links oder rechs vom Bach beliebig zur Straße und auf dieser hinaus zur B305 (Bushaltestelle). Für diesen Abstieg von der Kohleralm ist gutes Orientierungsvermögen und absolute Trittsicherheit erforderlich, bei Nässe sollte man den steilen Steig über den Großen Turm meiden, da er teils in sehr steilem Grasgelände verläuft (alternativ von der Weittalhütte über den Grün-Weiß-markierten Weg weiter nach Weißbach, ebenfalls Bushaltestelle).