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Der Windchill-Effekt beim Bergsteigen und Skifahren

Einer der wichtigsten Witterungsfaktoren auf Bergtouren ist der Wind, der das Kälteempfinden entscheidend beeinflusst.

Windige Skitourenbedingungen

Mittags noch bei eiskaltem Nordföhn auf der Schluderspitze, zwei Stunden später dann klettern im T-Shirt unten im Vinschgau.

Die Auswirkung des Windes auf das Kälteempfinden beim Bergsteigen und Skifahren

Jeder Bergsteiger kennt das Phänomen, dass sich die Lufftemperatur bei Wind viel kälter anfühlt als bei Windstille. Drei Beispiele:

  1. Eine Mehr-Seillängen-Kletterroute in einer sonnigen Ostwand in Arco im Frühling. Am Einstieg ist es warm, selbst im schattigen Wald. Sobald man in die Sonne klettert wird es fast unertäglich heiß, es ist windstill und man ist froh, im T-Shirt unterwegs zu sein. Welche Freude sobald ein leichtes "Lüfterl" geht. Je stärker aber die Sonne das Tal aufheizt, umso lebhafter wird der Wind. Wenn dann auch noch die Sonne ums Eck verschwindet, sollte man sich schnell eine Windjacke überziehen, sonst wirds an den Standplätzen ziemlich ungemütlich.
  2. Eine Herbstwanderung in den Bayerischen Alpen. Der Aufstieg führt in der Sonne einen Südhang aufwärts, es ist windstill. Problemlos kann man ohne Handschuhe in einer dünnen Jacke gehen. Am Gipfel angekommen bläst ein strammer Wind von der Nordseite. Es kann gar nicht schnell genug gehen, um sich Handschuhe und Anorak überzustreifen. Geht man jedoch nur wenige Meter südseitig ins Lee unter den Gipfel wird es wieder angenehm warm, so dass man dort gemütlich Brotzeit machen kann.
  3. Eine Skihochtour auf einen 4000er Ende April. Im Tal blühen schon die Bäume, der Aufstieg in der Sonne und bei Windstille ist bis kurz vor das Skidepot fast zu heiß, obwohl die reine Lufttemperatur auf 3.500 m laut Wetterbericht bei -5 Grad liegt. Oben am Grat sind jedoch Schneefahnen zu sehen, der erfahrene Bergsteiger weiß was das bedeutet. Ein längerer Gratanstieg führt zu Fuß zum Gipfel, hier bläst starker Wind von der Seite. Am Gipfel angekommen haben einigen Tourengeher weiße Flecken an den Nasenflügeln und an den Wangen - oberflächliche, lokale Erfrierungen.

Die Windchill-Temperatur

Skitouren am Hochkönig im Februar 2012 bei - 20 Grad und starkem Wind boten gefühlte Temperaturen von rund -35 Grad.
Skitouren am Hochkönig im Februar 2012 bei - 20 Grad und starkem Wind boten gefühlte Temperaturen von rund -35 Grad.

Streng genommen wird die Windchill-Temperatur erst unterhalb der Behaglichkeit angewendet, obwohl - wie im ersten Beispiel - der Wind auch bei heißen Temperaturen einen kühlenden Effekt hat. Hervorgerufen wird der Auskühlungs-Mechanismus durch den ständigen Abtransport der relativ warmen Luft direkt über der Haut, wodurch deren Isolationswirkung verloren geht. Bei sehr warmen Lufttemperaturen hingegen überwiegt der Effekt der Verdunstungskälte des Schweißes. Die "gefühlte Temperatur" ist daher bei Wind niedriger als bei Windstille. In der Definition des Windchill-Effekts wird aber ein leichter Wind von 4,8 Meter/Sekunde einberechnet, der etwa dem "Gegenwind" beim normalen Gehtempo entsprechen soll. Die genaue Berechnung der Windchill-Temperatur finden Interessierte bei Wikipedia. Dabei ergeben sich folgende "gefühlten Temperaturen":

 10 °C5 °C0 °C−5 °C−10 °C−15 °C−20 °C−25 °C−30 °C
10 km/h8,62,7−3,3−9,3−15,3−21,2−27,2−33,2−39,2
20 km/h7,41,1−5,2−11,6−17,9−24,2−30,5−36,8−43,1
30 km/h6,60,1−6,5−13,0−19,5−26,0−32,6−39,1−45,6
40 km/h6,0−0,7−7,4−14,1−20,8−27,4−34,1−40,8−47,5
50 km/h5,5−1,3−8,1−15,0−21,8−28,6−35,4−42,2−49,0
60 km/h5,1−1,8−8,8−15,7−22,6−29,5−36,5−43,4−50,3

In manchen Wetterberichten oder Temperaturmeldungen aus Skigebieten wird neben der normalen Lufttemperatur auf diese gefühlte Temperatur hingewiesen, so dass man sich entsprechend darauf einstellen kann.

Vorkehrungen beim Bergsteigen und Skifahren

Generell sollte man im Gebirge immer mit etwas Wind rechnen, selbst bei ruhigen Hochdrucklagen und geeignete Ausrüstung mitführen. Bei gemäßigten Temperaturen im Sommer und in den Übergangszeiten reichen dafür meist dünne Windstoppermaterialien oder alternativ bei Regenwetter wasserdichte Hardshells. Im Winter hingegen besteht die richtige Bekleidung auf Skitouren in der Regel aus mehreren Schichten. Bei extremen Bedingungen lassen sich die exponierten Stellen am Kopf mit Skibrille und Sturmmaske schützen, bei empfindlichen Personen kann zudem eine Kältecreme lokale Erfrierungen verhindern. In Zeiten der ständigen Verfügbarkeit zuverlässiger kurzfristiger Wetterprognosen ist es daher für jeden Bergsteiger und Skifahrer möglich sich entsprechend auszurüsten oder falls man die Bedingungen zu extrem für das persönliche Empfinden einschätzt, kann man sich ja überlegen ob man in dem Fall nicht besser ein moderateres Alternativziel ansteuert.

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