Skisafari und Winterfeeling im November

Winterfeeling im Rotwandgebiet
Winterfeeling im Rotwandgebiet

„Wer kann, sollte den Freitag nutzen“, hatte ich letzte Woche in meinem wöchentlichen Bericht zu den Skitourenbedingungen geschrieben. Ich selbst richte es mir natürlich ein – aber wer kommt mit? Der Schorsch als Rentner ist immer ein guter Kandidat dafür. Aber dann gibt's ja noch jede Menge mehr oder weniger selbständig tätige Freiberufler im Bekanntenkreis. Schon am Mittwoch trudeln die ersten Interessensbekundungen ein. Der Michael „Vitzi“ Vitzthum ist mit am Start, ebenso der Harald Wettemann als Klimakoordinator der DAV-Sektion Rosenheim. Von daher ist klar, dass es eine Öffi-Skitour wird. „Fahren wir zum Spitzingsee“, schlägt der Harry vor. „Hmm … Ich weiß nicht, das Gebiet kenne ich halt in- und auswendig und das geht ja auch sonst fast immer, fast ein wenig langweilig“, bremse ich. „Außerdem geht's dort immer brutal zu und auch der Bus kann überfüllt sein.“ „Am Freitag? Ach geh – das wäre ja sensationell“, entgegnet er. Bis Donnerstagabend kristallisiert sich dann eine große Gruppe aus acht Personen heraus, für die der Spitzingsee dann doch der kleinste gemeinsame Nenner ist.

Anreise

Freitag, 7.30 Uhr, Bahnhof in Rosenheim. Am Bahnsteig treffe ich Schorsch, der wie ich zum Bahnhof geradelt ist, und Christoph Schnurr, den Geschäftsstellenleiter der DAV-Sektion Rosenheim. Er hat bereits die erste Zugfahrt hinter sich – eine Station von Raubling. Unser Zug nach Holzkirchen ist pumpvoll mit Schülern. An der Haltestelle Aicherpark steigt Harry zu – damit ist die Rosenheimer Fraktion komplett. In Bad Aibling steigen die Schüler aus. Der Zug ist fast leer. In gemächlichem Tempo zuckelt die BRB durch das Mangfalltal. Wir haben viel zum Ratschen und registrieren erst, dass wir in Kreuzstraße sind, als der Zug nicht mehr weiterfährt. Kurz bangen wir um unseren Anschluss, dann geht's doch weiter. Zügig wechseln wir in Holzkirchen auf Gleis 1, wo gerade die BOB einfährt. Die Waggons sind wieder pumpvoll. Diesmal sind's keine Schüler, sondern Skitourengeher, (Schneeschuh-)Wanderer und Schlittenfahrer – alle heiß auf Winterfeeling. Mit im Zug sitzen auch die Angie, der Michael, der Claus und der Michi, die aus München kommen und die unsere Gruppe komplettieren.

Am Schliersee müssen wir erneut umsteigen: Von hier fährt ein Bus zum Spitzingsee. Geschätzt 60–70 Menschen drängen sich in den Bus. Ein Missverständnis zwischen Vitzi und Angie sorgt kurz für Spannung: „Hast du meine Ski?“ „Nein – wieso?“ „Ach Scheiße – dann liegen sie noch im Zug. Ich hatte verstanden, dass du sie mitbringst.“ Der Busfahrer öffnet nochmal die Hintertüre, Michael spurtet zum Zug und ist wieder am Bus, noch bevor die letzten Fahrgäste eingestiegen sind. Mühsam schnauft der vollgestopfte Bus die Spitzingstraße hinauf und an der Bushaltestelle Taubensteinbahn quellen ungefähr 20 Leute aus dem Gefährt. Der Rest will anscheinend zum weltberühmten Roßkopf.

Aufstieg zum Tanzeck

Im Kolonnenverkehr geht es nun durch den unteren Lochgraben hinauf zur Schönfeldhütte. Wir sind nicht die einzigen, die „den Freitag nutzen“. Nach der ersten Schneise verteilt sich der Andrang dann aber bald – viele gehen in Richtung Taubenstein, andere zum Raukopf. Wir steuern als Erstes das Tanzeck an. Der Schnee glitzert in der Sonne, im Süden leuchtet der Alpenhauptkamm bei glasklarer Sicht und die kalte Winterluft strömt in unsere Lungen. Wenn das kein Winterfeeling ist!

Abfahrt ins Krottental und Aufstieg zum Lämpersberg

Nach einer gemütlichen Pause steht die erste Abfahrt an. Es ist noch November, Schnee liegt hier erst seit etwa einer Woche und die Mengen sind mit etwa einem halben Meter auch noch eher überschaubar. Zwar bricht man nicht mehr auf den Boden durch, größere Steine wird die Schneeauflage aber noch nicht überdecken. Es ist also ein gutes Auge für den Untergrund und defensives Fahren angesagt. Unterhalb der Krottentaler Alm werden erneut die Felle aufgezogen für den Aufstieg vorbei an der Bayerländerhütte zum Taubensteinsattel und weiter zum Lämpersberg. In unserer großen Gruppe offenbaren sich die ersten Materialschäden. Nein - keine Steinkontakte. Abgerissene Endhaken an den Steigefellen in Kombination mit Arbeitsverweigerung des Klebers machen Harry zu schaffen und bei Christoph reißt das Drahtkabel der Skischuhe. 

Abfahrt zur Unteren Wallenburgalm und Aufstieg zur Rotwand

Harry schenkt sich aus den erwähnten Gründen die kurze Zwischenabfahrt vom Lämpersberg zur Unteren Wallenburgalm und geht gleich weiter zur Rotwand. Ab der Unteren Wallenburgalm dürfen wir das erste Mal an diesem Tag – entgegen meinen Erwartungen – selbst spuren. Anscheinend hat sich der große Run an Tourengehern heute zwischen Lämpersberg und Tanzeck konzentriert. Im Bereich Rotwand und Auerspitze sind insgesamt vergleichsweise wenige Spuren vorhanden. Die Rotwand wird unser Tages-Gipfelziel. 

Übergang zur Auerspitze und Abfahrt nach Geitau

Im Nachmittagslicht und bei bereits etwas angefeuchtetem Pulverschnee wedeln wir hinab zum Rotwandhaus und durch den Graben unter der großen Alpenvereinshütte in die Senke südlich der Kümpfelscharte. Ein letztes Mal ziehen wir die Steigfelle auf und folgen der Spur in einigen Spitzkehren aufwärts in Richtung Auerspitze. Am Gipfelaufbau wuchern noch die Latschen. Hier fehlt noch ein halber Meter Schnee, damit sich der Aufstieg mit Ski lohnt. Daher queren wir noch unterhalb des Gipfels abwärts in den Sattel vor den Ruchenköpfen und sehen der Sonne beim Untergehen zu. Die blaue Stunde schafft eine überwältigende Abendstimmung, in der wir den Blick auf den Wilden Kaiser genießen, bevor wir im unverspurten Pulverschnee zum Soinsee schwingen und es anschließend über die Forststraße hinauslaufen lassen nach Geitau.

Heimfahrt

Eigentlich war ein zünftiger Tourenabschluss im Gasthaus zur Roten Wand in Geitau geplant, aber am Eingang empfängt uns ein Schild mit der wenig erfreulichen Aufschrift „Betriebsurlaub“. Nach kurzer Beratung und Konsultation des Fahrplans zimmern wir ein Alternativprogramm. In der hereinbrechenden Dunkelheit marschieren wir die knapp 10 Minuten aus dem Ort zum Bahnhof und kurz darauf fährt auch schon die BOB ein, die wir jetzt fast für uns alleine haben. Aber schon an der zweiten Station in Neuhaus verlassen wir den warmen Zug wieder. Direkt am Bahnhof „Fischhausen-Neuhaus“ gibt es das „La Stazione“, eine gemütliche und originelle Kneipe, wo wir den Tag gemütlich ausklingen lassen. Ganz zu Ende ist der Tag danach aber doch noch nicht. Es wartet noch die Heimfahrt auf uns. Entspannt und zufrieden gondeln wir in den nun am Abend leeren Zügen nach Hause.